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Abenteuer in England: Der Hauskreis

  • Autorenbild: Thea
    Thea
  • 28. Okt. 2019
  • 6 Min. Lesezeit

Hallo! Willkommen zu diesem ersten Abschnitt von Abenteuer in England. Hier erzähle ich euch von den lustigen, kuriosen, manchmal peinlichen und spannenden Abenteuern, die mir hier so erlebe. Heute geht es um einen Hauskreis, zu dem ich das erste Mal hingegangen bin und der nicht ganz so war, wie ich mir ihn vorgestellt habe. Aber lest selbst!

Alle Namen und private Details werden natürlich abgeändert oder weggelassen. Ich möchte niemandem schaden und auch wenn ich versuche alles möglichst genau wiederzugeben, ist es eine Erzählung, die 100% auf meiner Wahrnehmung beruht. Daher gebe ich keine Garantie dafür, dass sich alles so verhält, wie ich es beschreibe.

Viel Spaß beim Lesen!

Abenteuer in England

Ich sitze im Auto. Während wir linksherum in einen Kreisverkehr hineinfahren und Paul das Auto geschickt durch das mehrspurige Chaos lenkt, frage ich ein bisschen kritisch: „Und du bist sicher, dass das so klar geht? Ich meine, ich bin mindestens 45 min zu früh!“ „Ach, mache dir da mal keine Gedanken, das ist völlig ok.“ Überzeugt bin ich trotzdem nicht. Fünf Minuten später halten wir vor dem Haus Nummer 25 und ich steige aus. „Nochmal vielen lieben Dank fürs Mitnehmen! Das ist total nett!“ Langsam gehe ich auf die Haustür zu. Im Augenwinkel sehe ich, wie Paul das Fenster heruntergelassen hat und …wartet?! Ich realisiere nur ungern, was das bedeutet. Mein geheimer Plan, ein paar Runden um den Block zu laufen um ein bisschen Zeit zu schinden, ist schön durchkreuzt. Natürlich ist es total hilfsbereit von ihm, dass er mich, bevor er selbst zum Fußballspielen fährt, noch schnell zum Hauskreis bringen will. Er findet auf der anderen Seite der Stadt statt und die Fahrt mit dem Bus wäre äußerst kompliziert und langwierig gewesen. Trotzdem ist es mir nicht nur ein bisschen unangenehm 45 Minuten vor der vereinbarten Uhrzeit bei fremden Menschen zu klingeln. Aber was bleibt mir anderes übrig? Paul wartet im Auto und ist eh schon spät dran. Also gebe ich mir einen Ruck, kneife kurz die Augen zu als ich klingele und warte nervös. Ich kann nicht fassen, dass ich das gerade mache. Einige lange Sekunden später geht das Licht im Flur an und ein Mädchen öffnet zögerlich die Haustür. Ihren etwas verwirrten, skeptischen Gesichtsausdruck werde ich wohl nicht so schnell vergessen. „Hallo! Es tut mir so leid, dass ich viel zu früh bin!“, platzt es aus mir heraus und ich versuche ihr die Sache mit meinen Gasteltern zu erklären. Im Eifer des Gefechts vergesse ich mich vorzustellen und entschuldige mich zum hundertsten Mal. Sie bittet mich erst einmal in die Küche zu kommen und fragt: „Du bist Thea, oder?“ In der Küche riecht es nach gebratenem Hähnchen und nach Gewürzen, die ich nicht so ganz zuordnen kann. Oder ziehen sie aus dem Hausflur hinein? Das Mädchen stellt sich mir als Fayola vor und zeigt auf ihren Mitbewohner, der an der Küchentheke steht und Kartoffeln schneidet. „Das ist John, wir kochen gerade zusammen Abendessen. Du kannst gerne mit uns essen.“ John dreht sich zu mir um und schaut mich ein bisschen unsicher an. Ich lächele und versuche meine Verlegenheit abzuschütteln. „Ich hoffe, ich bereite euch keine Umstände.“ „Nein, auf keinen Fall!“ kommt es von den beiden. Fayola lässt den Blick suchend durch den Raum schweifen und sagt: „Ich bin gleich wieder da.“ Sie lächelt mir zu und verschwindet dann im Hausflur. Ich sehe mich in der Küche um. Die Küche ist für eine Studentenküche ziemlich groß, es gibt einen Esstisch für sechs Personen und mindestens acht verschiedene Müslisorten, die auf der Theke stehen. Die Vorhänge vor den beschlagenen Fensterscheiben sind halb zu gezogen und die Luft gleicht einer, die man sich im tropischen Regenwald vorstellt. Hohe Luftfeuchtigkeit und ebenso hohe Temperaturen. Das Geschirr stapelt sich neben dem Spülbecken und ich fühle mich ein bisschen an die Teeküchen in meinem ehemaligen Internat erinnert. An der Wand mache ich eine Putzliste aus, die die fünf Mitbewohner an ihre häuslichen Pflichten erinnern soll. John fallen mehrere Kartoffelschnitze runter, als er versucht eine letzte Kartoffel in mitten von halbierten Tomaten zu vierteln. Wir lachen beide und durchbrechen so die peinliche Stille. Er bietet mir einen Stuhl an, auf den ich mich dankbar setze. "Immerhin stehe ich nicht mehr so verloren im Raum herum," denke ich. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass die anderen Leute in etwa 38 min kommen müssten. Die Zeit werde ich ja wohl irgendwie herumkriegen. John macht gerade den Mund auf um etwas zu sagen, als Fayola zur Tür hineinkommt und eine Packung vegetarischen Haribo Mix und eine Schachtel Maltesers vor mir auf den Tisch stellt. „Bediene dich!“ sagt Fayola und widmet sich den brutzelnden Hähnchenstreifen auf dem Herd. Ich bedanke mich für die total nette Geste und öffne die Maltesers Schachtel. Es tut gut, wenigstens etwas zu tun zu haben. „Du natürlich nicht!“ ruft Fayola plötzlich und hindert John daran, eine Schokokugel zu stibitzen. „Wenn er erstmal anfängt, dann bekommst man selbst höchstens noch ein paar Krümel ab“ sagt sie mit einem Grinsen auf den Lippen. Ich muss lachen und fühle mich ein bisschen wohler. Die beiden machen insgesamt einen netten Eindruck, auch wenn ich mich frage, wie um alles in der Welt ich in diese Situation gekommen bin. „Seid ihr sicher, dass ihr keine Hilfe gebrauchen könnt?“ möchte ich wissen, doch die beiden winken nur ab. Die Situation fühlt sich irgendwie nicht richtig an. Irgendwas stimmt noch nicht, das spüre ich. Die beiden Studenten wechseln einen Blick, den ich nicht deuten kann.

Nach ein paar Minuten, die sich wie eine Ewigkeit anfühlen, räuspert sich Fayola, kippt ein Säckchen Reis zu dem kochenden Wasser im Topf und fängt zögerlich an zu sprechen: „Du Thea, also der Hauskreis ist … naja, Emeka und ich mussten ihn vorhin leider kurzfristig absagen, weil alle anderen nicht konnten. Deswegen ist heute kein Hauskreis. Sorry. Aber natürlich kannst du gerne zum Abendessen bleiben und wir bringen dich dann nach Hause.“ „Der Hauskreis wurde ABGESAGT?“ frage ich ungläubig und bin froh, dass ich schon sitze. „Emeka hat dir vorhin eigentlich eine Nachricht geschickt.“ Schnell hole ich mein Handy aus meinem Stoffbeutel, schalte die mobilen Daten an und tatsächlich: sechs neue Nachrichten von Emeka. „Oh nein,“ platzt es aus mir heraus, „ich war wahrscheinlich schon losgefahren, als sie mir die Nachrichten geschickt hat. Wie unangenehm! Das tut mir echt unglaublich leid! Was machen wir denn jetzt?“ Meine Anstalten aufzustehen werden von John und Fayola gestoppt. „Es macht uns echt nichts aus. Du isst jetzt einfach mit uns mit und dann können wir noch was spielen. Es war doch ein Spieleabend geplant?!“ Die Situation ist so absurd, dass ich nicht anders kann als zu lachen. „Wer kommt denn bitte 45 Minuten zu früh zu einem abgesagten Hauskreis?“ Jetzt können sich auch John und Fayola ein Lachen nicht verkneifen. „Es war ja auch zugegebenermaßen sehr kurzfristig, uns tut es auch total leid,“ lenkt Fayola ein. „Was möchtest du trinken?“fragt sie dann so, als wäre nichts gewesen. „Ich nehme ein Glas Wasser“ antworte ich. So ist die Situation plötzlich viel lockerer und es fühlt sich fast natürlich an, hier zu sitzen. Ich kann es zwar immer noch nicht fassen, dass ich bei quasi fremden Menschen eine dreiviertel Stunde zu früh aufgetaucht bin und das, obwohl der Hauskreis eigentlich abgesagt wurde. Kein Wunder, dass Fayola an der Tür gar so zögerlich und skeptisch reagiert hat. Wir unterhalten uns über Serien und wie das Leben als Freiwilliger so ist, wenn man nicht gerade zu Fremden zum abgesagten Hauskreis geht. Wir amüsieren uns und irgendwann klingelt es an der Haustür. Emeka steht zwei Minuten später in der Küche und hat wahrscheinlich ein bisschen schuldbewusst das Monopoly Spiel mitgebracht. Fayola bietet auch ihr an, mitzuessen und so gehen wir zehn Minuten später in das relativ kahl eingerichtete Wohnzimmer der Studenten. Fayola und Emeka lassen sich mit ihrer Portion Hähnchen-Curry und Knoblauch Baguette auf einem Sofa nieder. Ich setze mich mit meinem Teller auf das gegenüberliegende Sofa, während es sich John auf dem Boden Richtung Fernseher bequem macht. Es läuft irgendeine „Trash TV“ Dating Serie und wir unterhalten uns nebenbei. Fayola möchte von John wissen, wie lange es gedauert hat sein Tattoo zu stechen. Oder präzise gesagt, die Tattoos, die seinen ganzen rechten Arm bedecken. „Etwa ein Jahr“ antwortet er, woraufhin ich ihn mit offenem Mund anstarre. „Naja, natürlich mehrere Sitzungen“ sagt er daraufhin. Dass er nicht ein ganzes Jahr im Tattoo Studio saß, ist mir natürlich klar gewesen, aber Leute erklären einem als Nicht-Muttersprachler manchmal die selbstverständlichsten Dinge. Trotzdem wäre es nichts für mich. Allein die Nadel jagt mir einen Schauer den Rücken hinunter. Zum Abschluss des Abends spielen wir noch ein bisschen Mario Kart. Ich bin ziemlich mies, aber als John, der sonst immer geführt hat, meinen Kontroller übernimmt, ist er plötzlich auch immer letzter. Wir einigen uns darauf, dass es am Motorrad liegen muss. Nachdem ich die letzte Runde dann mit einem glorreichen 6. Platz beendet habe, fahren Fayola und John Emeka und mich nach Hause. John verkündet, dass nächste Woche dann auf jeden Fall ein richtiger Hauskreis stattfindet und alle lachen. Während ich im Auto sitze und nach draußen in die Dunkelheit starre, breitet sich ein Lächeln über mein Gesicht aus. Was für ein irrer Abend. Was für ein Abenteuer.


2 Comments


Thea
Thea
Oct 31, 2019

Hahaha :) ja, wer denn bitte? @antonia.fiegl

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antonia.fiegl
antonia.fiegl
Oct 31, 2019

Lieblingssatz: Wer kommt denn bitte 45 min zu früh zu einem abgesagten Hauskreis 😂

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